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Gesunde Psyche in Zeiten von Corona

Dr. Nedal Al-Khatib, Psychiatrie-Chefarzt in den Gesundheitseinrichtungen des Bezirks Oberfranken, über die psychischen Auswirkungen der Corona-Krise

Geschlossene Geschäfte, verwaiste Straßen und mancherorts sogar Ausgangssperren: Die Auswirkungen des Corona-Virus stellen für uns alle eine bisher nie dagewesene Ausnahmesituation dar. Was macht das mit unserer Psyche? „Diese Krise erschüttert uns in unseren Grundfesten. Was gestern noch als unverrückbar galt, hat heute keine Gültigkeit mehr. Das führt dazu, dass unser Bedürfnis nach Sicherheit massiv erschüttert ist", sagt Dr. Nedal Al-Khatib, Chefarzt der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik am Bezirksklinikum Obermain in Kutzenberg. Das Klinikum gehört zu den Gesundheitseinrichtungen des Bezirks Oberfranken GeBO.

Auch in „normalen" Zeiten ist unser aller Leben voller Unwägbarkeiten. Wie wird der legendäre John Lennon gern zitiert? „Leben ist das, was passiert, während du eifrig dabei bist, andere Pläne zu machen." Dr. Al-Khatib erklärt: „Es ist eine Illusion des Menschen zu glauben, ein Leben sei planbar. Das ist es nicht und wird es nie sein. Letztendlich drohen wir alle an der Komplexität dessen, was uns umgibt, zu verzweifeln."

Trotzdem sind Menschen darum bemüht, ein Stück Sicherheit in ihr Leben zu bringen. Stichwort Toilettenpapier. Der Chefarzt: „Warum wird gerade Toilettenpapier gehortet? Das ist vollkommen irrational. Doch für den einzelnen ist das Wissen darum, genügend Toilettenpapier zu Hause zu haben, ein Zeichen von Sicherheit und auch ein Signal der Hoffnung. Nach dem Motto: Wenn ich über diese eine Situation die Kontrolle gewinnen konnte, dann schaffe ich das auch in anderen Situationen." Diese Verhaltensweisen, die vollkommen unbewusst ablaufen, sollen unseren Urängsten vor einem Kontrollverlust entgegenwirken. Die Vernunft spielt dabei eine nur untergeordnete Rolle.

Eine gewisse Mitverantwortung an der großen Verunsicherung der Menschen weist der Chefarzt auch dem medialen Umgang mit dem Thema zu: „Zu Beginn wurde das Problem oft verharmlost, nicht nur bei uns, sondern auch in China, wo seit mindestens Dezember 2019 bekannt war, wie hochinfektiös das Corona-Virus ist und welche lebensgefährlichen Auswirkungen es haben kann. Hierzulande wurden dann am Anfang Vergleiche zu der eher harmlosen Schweinegrippe gezogen. Die Ernsthaftigkeit des Problems wurde zu spät kommuniziert."

Für vollkommen richtig hält er die vorgeschlagenen Verhaltensmaßregeln der Kanzlerin bei ihrer Fernsehansprache: Auf Abstand zu gehen sei die beste Fürsorge. „Kein Händeschütteln, keine Umarmung und ein Mindestabstand von 1,5 Meter voneinander. Das alles hat Hand und Fuß und ist sicher nicht aus der Luft gegriffen. Um die Verbreitung des Virus zu verlangsamen, spielt es eine große Rolle, dass die sozialen Kontakte jedes einzelnen auf ein Mindestmaß reduziert werden", so der Chefarzt.

Und das, obwohl alle Menschen von Natur aus ein Grundbedürfnis nach Nähe, menschlicher Wärme, Geborgenheit und Berührung haben. Werden diese Grundbedürfnisse nicht ausreichend gestillt, entwickeln die Betroffenen nicht selten eine psychische Störung, leiden unter einer Depression, Angst- oder Panikattacken.

Was also können wir alle tun, um die soziale Isolation, die aus medizinischen Gründen erforderlich ist, erträglicher zu gestalten? Was hilft gegen das Gefühl der Einsamkeit, das vielleicht gerade Menschen ereilt, die allein leben und jetzt auf die sozialen Kontakte mit ihrer Umwelt weitgehend verzichten müssen? Dr. Al-Khatib: „Mir kommen da sofort die Bilder von Menschen, die singend und klatschend auf ihren Balkonen oder an Wohnungsfenstern stehen, in den Kopf. Das sind wunderbare Aktionen, die das Zusammengehörigkeitsgefühl fördern. Wir sollten einander Mut zusprechen und ganz regelmäßig Kontakt über verschiedene Medien zu Freunden, Verwandten und Nachbarn pflegen. Und das nicht nur per Telefon, sondern wenn möglich mit Bildkontakt wie beim Skypen oder beim Telefonieren mit Facetime.

Erkundigen Sie sich bei ihren Nachbarn, wo vielleicht gerade Hilfe gebraucht wird, wenn es darum geht, Einkäufe zu erledigen oder ähnliches. Zeigen Sie Ihren Mitmenschen, dass Sie an ihrem Leben teilhaben, auch wenn Sie nicht dicht an ihnen dran sein können. Geben Sie den Menschen in Ihrer Umgebung das Gefühl, dass Sie für die da sind. Gemeinschaft lässt das Gefühl der Ohnmacht nicht siegen. Wir alle sollten jetzt zusammenrücken, ohne im wörtlichen Sinn zusammen zu rücken. Dann werden wir auch diese große Herausforderung meistern."

Quelle Bild und Text: Gesundheitseinrichtungen des Bezirks Oberfranken, Bezirkskrankenhaus Bayreuth